Logo


     Medienberichte 2008

Interview mit Rebekka Bolzern und Peter Leimgruber im

Regionaljournal Zentralschweiz

vom 16. November 2008
Autorin: Andrea Keller
Audiodatei im mp3-Format (1.2MB)
--> Interview
Artikel in der

Neuen Luzerner Zeitung

vom 12. November 2008 anlässlich Rosa von Praunheims Besuch des Festivals PinkPanorama.



Interview: Robert Knobel

«Schwul sein ist selten schick»

Rosa von Praunheim war der Wegbereiter der Schwulen- und Lesbenbewegung. Sein Fazit nach 40 Jahren Kampf: Es bleibt noch sehr viel zu tun.

Ihre Schwulen-Filme wurden einst boykottiert. Heute gehört es schon fast zum guten Ton, sich als schwul zu bezeichnen. Was ist da geschehen?

Rosa von Praunheim: Ich mag solche Statements nicht. Schwul zu wirken, kann ja vielleicht schick sein - in der Disco, wo auch Heteros sich feminin oder metrosexuell geben. Aber eine schwule Attitüde hat nichts mit den psychischen Konflikten zu tun, die ein Schwuler hat, weil er immer zu einer Minderheit gehört. Für einen jungen Menschen ist es selten schick, schwul zu sein. Er wird auch heute noch in der Schule mit «schwule Sau» beschimpft.

Demnach sind wir noch weit entfernt von echter Toleranz?

von Praunheim: Es bleibt noch sehr viel zu tun. Schauen Sie nach Osteuropa - in Polen und Russland werden Schwulenparaden immer wieder verboten oder angegriffen. Bei den Muslimen ist Homosexualität nicht akzeptiert, und selbst in Kalifornien ist die Homosexuellenehe letzte Woche per Volksabstimmung wieder rückgängig gemacht worden. Es wäre falsch, die Toleranz, die in Grossstädten herrscht, zu verallgemeinern. Die bürgerliche Wirklichkeit in der Provinz sieht ganz anders aus.

Sie kritisieren auch die Homosexuellen selber. Im Film «Nicht der Homosexuelle ist pervers ...» prangerten Sie übertriebenen Körperkult und politische Passivität an. Hat sich da seither etwas geändert?

von Praunheim: Nein. Es gibt inzwischen viele Berufsschwule - Psychologen, Sozialarbeiter, Aidsbeamte. Aber immer weniger sind bereit, für ihre Rechte einzutreten. Sie wollen nur die Früchte ernten und möglichst wenig selber tun. Aber das ist ja auch bei den Heteros nicht anders. Ich stelle bei der Jugend eine unpolitische Haltung und soziales Desinteresse fest. Konsum und Kosmetikindustrie sind zu zentralen Inhalten geworden.

Ihr neuer Film handelt von Lesben. Diese stehen immer noch stark im Schatten der Schwulen und werden kaum wahrgenommen. Was machen sie falsch?

von Praunheim: Lesben sind oftmals viel ängstlicher und leben zurückgezogener. Ich wünschte mir da mehr Selbstbewusstsein. Doch es ist auch ein gesellschaftliches Problem. Von Frauen wird mehr Anpassung verlangt als von Männern. Zudem werden sie noch immer diskriminiert - zum Beispiel in der Werbung oder bei den Löhnen.

Das wird sich vielleicht bald ändern - jedenfalls lässt dies der Titel Ihres neuen Films «Tote Schwule - lebende Lesben» erahnen. Gehört die Zukunft wirklich den Lesben?

von Praunheim: Nicht nur den Lesben, sondern den Frauen überhaupt gehört die Zukunft. Man denke nur an Angela Merkel und all die mutigen Frauen, sie sich an die Spitze gekämpft haben.

Apropos Frauen: Viele Frauen haben in Ihrem Leben eine zentrale Rolle gespielt. Was schätzen Sie persönlich an den Frauen?

von Praunheim: Frauen dürfen in der Gesellschaft mehr Gefühle zeigen, dürfen fantasievoller sein. Männer laufen grau herum und müssen cool sein - wie langweilig! Frauen sind zudem selten gewalttätig und führen keine Kriege. Sie wirken beschützend und zeigen mehr Empathie als Männer. Schwule können stolz sein auf ihre femininen Anteile.

Sie haben erst vor kurzem erfahren, dass Ihre Mutter nicht Ihre leibliche Mutter war. Wie nimmt man eine solche Nachricht als 57-Jähriger auf?

von Praunheim: Als mir meine 94-jährige Mutter offenbarte, dass ich nicht ihr Sohn bin, fand ich das zuerst witzig. Dann erfuhr ich, dass es alle Bekannten und Verwandten gewusst hatten, nur ich nicht.

Hätte Ihre Adoptivmutter das Schweigen früher brechen sollen?

von Praunheim: Ich bin auf jeden Fall froh, dass ich es noch vor ihrem Tod erfahren habe. Hätte ich es nachher erfahren, wäre es für mich sehr viel schwieriger gewesen. Deshalb danke ich ihr für ihren Mut. Überhaupt bin ich ihr dankbar dafür, dass sie mich während des Krieges gerettet und mich ein Leben lang beschützt und geliebt hat. Meine Adoptivmutter hat mich geliebt, ohne mich zu verstehen - das ist wohl die höchste Form der Liebe.

Schweigen oder reden: Mit dieser Frage kämpfen ja auch Homosexuelle oft ein Leben lang. Wie könnte man ihnen erleichtern, sich zu outen?

von Praunheim: Was wäre, wenn alle Schwulen und Lesben grün anlaufen würden? Dann wäre alles leichter. Ich ärgere mich über die vielen Prominenten, die sich nicht getrauen, sich zu ihrer Homosexualität zu bekennen. Dabei könnten sie Vorbilder sein und anderen Mut machen.

Da sind Sie weniger zimperlich. Sie haben sogar schon einmal Prominente öffentlich geoutet. Würden Sie das wieder tun?

von Praunheim: Nein, obwohl es mir manchmal in den Fingern juckt. Aber das sollen jetzt andere tun. Im Falle von Jörg Haider, der selber andere Minderheiten diskriminierte, wäre es zum Beispiel wichtig gewesen.



Home  |   Rückblick 2002-2009
© 2009 Pink Panorama, email: info@pinkpanorama.ch